Volle Energie?
Gemeinsamer Kommentar vom Energietisch Dessau und ADFC Regionalverband Dessau
Als halbwegs engagierte Mitstreiter für eine Energie- und Verkehrswende in Dessau-Roßlau sind der Energietisch und der ADFC Dessau erstaunt über die jüngste Öffentlichkeitsarbeit der Stadtverwaltung in Sachen Klimaschutz. Unter der Überschrift „Volle Energie“ listete der Beitrag Errungenschaften für Klimaschutzaktivitäten, die bei ehrenamtlichen Akteuren den Eindruck entstehen, dass hier etwas übertrieben wird. Halbstündige Beleuchtungspausen für den Rathausturm, vor vielen Jahren auf Erdgasbetrieb umgestellte Stadtbusse, Fahrradständer am Hauptbahnhof und die zweite grüne Hausnummer der Stadt werden als klimapolitische Erfolge gefeiert? Wow. Weiter steigende Anteile beim motorisierten Individualverkehr und das glückliche Geschenk einer erneuten Zertifizierung mit dem European Energy Award drängen den Eindruck auf, dass hier jemand ein X für ein U vormachen möchte.
Kein Wort darüber wann der Posten des Klimaschutzmanagements besetzt wird. Kein Wort darüber, was denn substanziell in einem neuen Klimaschutzkonzept stehen könnte, bspw. bis wann Dessau-Roßlau aus den fossilen Brennstoffen faktisch ausgestiegen sein möchte, oder mit welchen Maßnahmen der Radverkehr wieder Vor-Wende-Niveau erreichen soll. Stattdessen möchte man kommunale Liegenschaften mit ‚Ökostrom‘ * beliefern. Mit voller Energie müsste vielmehr an Konzepten zur Anpassung an die Klimafolgen gearbeitet werden – dessen Bedarf wir inzwischen buchstäblich täglich sehen und spüren. Stattdessen Projekte, die fragwürdigen nutzen haben, zweifelsohne aber toll klingen: „Smart Lightning“!?
Wir sind weiterhin gespannt und sparen unseren Applaus bis zu dem Tag an dem messbare Maßnahmen des Energiepolitischen Arbeitsprogramms mit Mitteln und konkreten Zeithorizonten im städtischen Haushaltplan stehen.
Zwei Meldungen zum Schluss: 1. Der Radverkehrskongress des Oberbürgermeisters kann in diesem Jahr nicht stattfinden, die Europäische Mobilitätswoche sehr wohl. 2. Stadtradeln könnte terminlich klappen, wenn wir heute anmelden und mit voller Energie ab Morgen „Stadtradeln“: Auf die Fahrräder fertig los!
*Was ist ‚Ökostrom‘? Die Absicht, die kommunalen Liegenschaften auf Ökostrom umzustellen ist wohlfeil aber klimapolitisch nicht wirklich zielführend. ‚Ökostrom‘ ist heute der Kauf von Zertifikaten emissionsfreier Wasserkraftwerke in Österreich, Schweden und Norwegen. Der Strom-Händler bezahlt für dieses Zertifikat 0,2 bis 0,5 Cent/kWh an den Betreiber des Wasserkraftwerks und darf so seinen Strom-Kunden hierzulande erklären: sie erhalten ‚Ökostrom‘. Wegen dieses geringfügigen Preises gibt es auch kaum Preisunterschiede, wenn der ‚Ökostrom‘ mit dem Normalstrom verglichen wird. Emissionsfreie Kraftwerke, die Vergütung nach dem EEG erhalten, dürfen an diesem Zertifikate Handel nicht teilnehmen. Berechtigte Kraftwerke dürfen ihren emissionsfrei erzeugten Strom normal verkaufen, nur nicht mehr ausdrücklich als Ökostrom.