Der Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels soll mit
vielfältigen Anknüpfungspunkten an den Lebensalltag in der eigenen Region
betrachtet wie auch der Blick in andere Regionen der Welt gerichtet werden. Wie
kann eine Beteiligung des Einzelnen und der Kommune zur Erreichung der Pariser
Klimaschutzziele aussehen? Wie kann längerfristiges Engagement für Klimaschutz
gestaltet werden? Was bedeutet Klimaanpassung? Die aktuelle öffentliche
Aufmerksamkeit bietet die Chance, Interesse für dieses komplexe Thema zu
wecken, das alle in den kommenden Jahrzehnten beschäftigen wird.
Als konkretes Beispiel in Dessau wird ein Mieterstromprojekt des Dessauer
Wohnungsvereins vorgestellt, das mit der SALARIMO GmbH aus Berlin realisiert
wurde. Dabei sind Photovoltaik-Module auf dem Dach eines Mietshauses am
Leipziger Tor installiert, aus denen Mieter des Hauses auf Wunsch direkt mit
Sonnenstrom beliefert werden. Ein kleiner monetärer Vorteil für die Mieter
ergibt sich außerdem. Ein hoffnungsvoller Beginn einer neuen Solaroffensive in
Dessau, wie wir meinen.
Reduktion von Personenverkehr und Gütertransport = mehr Lebensqualität + effizienter Klimaschutz
Veranstaltung des Energietisch Dessau e.V. mit Winfried Wolf am Montag, dem 16. September, in Dessau, Hörsaal Umweltbundesamt 19 Uhr
Spätestens nach den letzten zwei Hitze-Sommer dürfte auch
hierzulande klar sein: Die Klimaerwärmung droht in eine Klimakatastrophe
umzuschlagen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Verkehrssektor – und zwar
der Personenverkehr ebenso wie der Gütertransport.
Die gängigen Rezepte lauten: Man bräuchte einen
Austausch des Antriebs von Pkw, Bussen und Lkw („e-mobility“) und eine Stärkung
von öffentlichem Verkehr im Allgemeinen und der Schiene im Besonderen.
Doch reicht das aus? Der Referent verneint dies. Elektroautos
brächten kaum CO-2-Minderung; damit würden vor allem die Städte mit noch mehr
Autos zugestellt. Eine reine Verlagerung z.B. des Lkw-Verkehrs auf die Schiene
sei bereits rein technisch gar nicht realisierbar. Seine Hauptthese lautet: In
erster Linie müssen der Personenverkehr und der Gütertransport deutlich reduziert werden. Ziel sei eine
„Verkehrspolitik der drei V“: Verkehre VERMEIDEN, Verkehrs- und Transportwege
VERKÜRZEN, verbleibende Verkehre (auf Füße, Pedale und „Öffis“) VERLAGERN.
Die Menschen sind heute nicht mobiler als sie es in den 1970er Jahren waren. Doch sie legen im Jahr fast doppelt so viele Kilometer motorisiert zurück wie damals. Unser Lebensstandard ist heute nicht wesentlich höher als damals. Doch der Lkw-Verkehr hat sich allein seit 1992 verdoppelt. Durch die Zerstörung von „Nähe“, von kleinteiligen Strukturen, durch eine zerstörerische Globalisierung und durch Dumpingpreise im Gütertransport erleben wir eine Verkehrs- und Transportinflation. Es wurden Strukturen entwickelt, die zu einem „erzwungenen Verkehr“ und zu einer immer größeren „Transportintensität“ führten.
Hier muss als erstes angesetzt werden – durch die
Reduktion von Verkehr und Transporten. Dies trägt – unter anderem durch weniger
Lärm, weniger Gesundheitsbelastung, weniger Stress – auch zu einer höheren
Lebensqualität bei. Vor allem ist dies die entscheidende Strategie für
wirksamen Klimaschutz. Eine radikale Verkehrswende steht auf der Tagesordnung.
Nur auf diese Weise kann die rasante Fahrt in die Klimakatastrophe gestoppt
werden. Eine Verkehrswende ist damit Teil einer nachhaltigen und solidarischen
Welt, für die wir uns engagieren.
Winfried Wolf ist Chefredakteur von Lunapark21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie. Er war 1994 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestags. Er ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac Deutschland. Im März 2019 erschien: Winfried Wolf, Mit dem Elektroauto in die Sackgasse. Wie die Elektromobilität den Klimawandel beschleunigt (Promedia Wien, 220 Seiten; 17,90 Euro). Im April 2019 neu erschienen: Winfried Wolf, abgrundtief + bodenlos. Stuttgart21, sein absehbares Scheitern und die Kultur des Widerstands (PapyRossa Köln, 380 Seiten; 20 Euro). Im Oktober 2019 erscheint: Bernhard Knierim/Winfried Wolf, Abgefahren. Warum wir eine neue Bahnpolitik brauchen (PapyRossa, Köln, 240 Seiten, 18 Euro).