Wir haben verstanden

Die im Artikel dargestellten Reaktionen der Vertreter der Städtischen Einrichtungen auf die Beschlüsse der Bundesregierung für die Erreichung der 2030-Klimaschutzziele vom 20.09. hätten nicht vorsehbarer sein können. Allseits Verweise auf Mehrkosten, oder umgekehrt fehlende Lenkungswirkung. Und auch die Mitteldeutsche Zeitung titelte „Das kostet uns Klimaschutz“ in ihrer Wochenendausgabe am 21.09.19. Diese Grundhaltung ist nur in Teilen verständlich, denn die vorgebrachte, betriebswirtschaftliche Perspektive blendet beispielsweise die Frage der Kosten von unterlassenem Klimaschutz aus, vor allem aber die Frage, wie notwendige Veränderungen in unserer Lebensweise – angefangen von der Energiebereitstellung, Konsum- und Mobilitätsverhalten – auch in Dessau angestoßen werden könnten. Kritiker mögen zurecht entgegnen, dass Deutschland nur für rund zwei Prozent der weltweiten CO2-Eissionen verantwortlich ist und daher die Lasten von verstärktem Klimaschutz nicht allein stemmen sollte. Das ist ohne Zweifel richtig. Zugegeben: die Bundesregierung hätte die aktuell große Zustimmung für mehr Klimaschutz nutzen müssen. Und so gibt das vom Bundeskabinett beschlossene Eckpunktepapier wahrscheinlich nur den ausgebufftesten Politprofis des Berliner Betriebs noch Hoffnung, dass Deutschland eine anspruchsvolle umwelt- und klimagerechte Entwicklung nehmen kann. Entscheidungsträger auf der kommunalen Ebene teilen diesen Optimismus in der Regel nur bedingt, da der unmittelbare Alltag konkret doch anders aussieht. Aber warum eigentlich? Hier einen Kontrapunkt vor Ort zu setzen, gemeinsam von Stadt und Bürgerschaft, wäre ein Anfang. Die Grundhaltung in Dessau ist nicht ausschließlich grau: die Veranstaltungen in der europäischen Mobilitätswoche in Dessau – Vortrag zu Mobilität, Straßenkino, die eigens von OB Kuras initiierte Radverkehrstagung, Fahrraddemo, Parking Day auf der Kavallierstraße, der Clean-up-day – haben in ihrer Vielfalt gezeigt, welches Potenzial besteht, sich von der „wir können nicht mehr tun“-Haltung abzuheben. Deutschlandweit und in Dessau hat die Fridays-for-Future-Bewegung die Aufmerksamkeit auf eine der zentralen Gegenwartsfragen gelenkt, nach dem Motto „nehmt ihr uns nicht unsere Zukunft“. Sogar die christlichen Kirchen in Dessau sind mit ihrem gemeinsamen Kirchenläuten für Klimagerechtigkeit zur Mittagszeit am Freitag dem weltweiten Aufruf „Churches-for-Future“ gefolgt. Diesen Impuls sollten Stadtverwaltung und Entscheidungsträger aufgreifen und selbst den Blick auf ihre (Vorbild-)Rolle und Möglichkeiten richten. Auch einmal über das „Machbare“ hinausgehen. Leitbild sollte sein: Umweltstadt Dessau, wie es bereits im Frühjahr von einem Leser eingebracht wurde. Hinsichtlich Klima- und Energiefragen stellt der Energietisch Dessau fest: Dessau fängt nicht bei NULL an. Zwischenzeitliche Erfolge sollten aber nicht darüber hinweg täuschen, dass weiterhin dringender und umfangreicher Handlungsbedarf besteht. Versäumnisse der vergangenen Jahre (z.B. Maßnahmen im Energiepolitischen Arbeitsprogramm aus 2015/2016 wie Klimaschutzkonzept, Emissionsbilanz, Vulnerabilitätsanalyse) müssen zügig aufgearbeitet werden. Der Energietisch fordert daher konkret die zügige und dauerhafte Einrichtung eines schlagkräftigen Klimaschutzmanagements mit weitreichenden Kompetenzen. Das hätte Signalwirkung nach außen: „Wir haben verstanden!“

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