Mai 27, 2020 / Guido Knoche / Kommentare deaktiviert für Modellprojekt PV-Ausbau in der Stadt zur Bereitstellung von bis zu 90 % regenerativem Strom in 2030 /
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Auch in Zeiten der COVID-19-Pandemie bleibt die Herausforderung bestehen, die Temperaturvorgaben des Pariser Klimaschutz-abkommens auf unter 2°C – besser unter 1,5°C – einzuhalten, auch und erst recht mit einem angemessenen Beitrag in Dessau. Und, nachdem nun der Job „Klimaschutzmanager*in“ neu besetzt wird, sollten wir zeigen, oh ja, in Dessau läuft was, dort zu arbeiten könnte Spaß machen. Schließlich hat die Bundesregierung die Förderprogramme im Klimaschutz nach unserer Wahrnehmung recht strikt auf die Förderung von Modellprojekten hin orientiert. Dem kann entsprochen werden. Hier ist der Vorschlag über unser Modellprojekt ausführlich beschrieben.
Passend dazu ein mögliches Zielbild für ein kostenoptimales, dekarbonisiertes und versorgungssicheres Energiesystem in Ostdeutschland. Hier geht es zum Steckbrief/Factsheet zum ProjektCommit to Connect 2050.
Februar 5, 2020 / Guido Knoche / Kommentare deaktiviert für Erneutes eea®-Zertifikat für die Stadt – Auszeichnung und Mahnung zugleich – Dessauer Umweltverbände fordern mehr Tempo /
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Gemeinsame Presseerklärung vom Energietisch Desssau und ADFC Dessau
Dessau-Roßlau, 05.02.2020 Alle reden von Klimaschutz. Aber was bedeutet das konkret? Stadtplanung, Gebäude, Ver- und Entsorgung, Verkehr und Öffentlichkeitsarbeit sind Pflichtaufgaben, mit denen sich Städte auseinandersetzen müssen, wenn sie Klimaschutz vor Ort ernsthaft umsetzen wollen. Die Stadt Dessau-Roßlau hat nach 2015 erneut die Auszeichnung „Europäische Energie- und Klimaschutzkommune in Silber“ knapp verteidigt. Am 05. Februar wurde die Auszeichnung der „European Energy Award-Organisation“ (eea®) im Rahmen einer Stadtratssitzung an OB Kuras übergeben. Lokale Umweltverbände fordern die Auszeichnung in Gold anzusteuern und sehen Defizite bei der Klimaanpassung.
Dessau-Roßlau hat im Rahmen einer erneuten Überprüfung im Bereich Klimaschutz und Energie die Auszeichnung „European Energy-Award“ in Silber knapper als im Jahr 2015 verteidigt. Mitglieder von Energietisch und ADFC Dessau waren zwischen 2015 und 2019 im eea®–Energieteam, das die Arbeiten der Stadt vor der Zertifizierung begleitete. „Die Stadt darf die Auszeichnung in Silber erneut drei weitere Jahre führen. Das ist erstmal als positiv zu bewerten“, so Stephan Marahrens vom ADFC. „Aber zum einen ist es nur Silber und zum anderen ist das Ergebnis schlechter als in 2015. Dieser absteigende Trend zeigt, dass Dessau-Roßlau in Sachen Klimaschutz und Energie dringend umsteuern muss“, ergänzt Guido Knoche vom Energietisch. Maßnahmen in vier der sechs Arbeitsfelder erzielen durchweg schlechtere Bewertungen als 2015, der Bereich Stadtplanung verlor im Vergleich sogar ein Fünftel seiner Punkte. „Das sollte niemanden verwundern“, so Knoche weiter: „Mit einem zehn Jahre alten Klimaschutzkonzept lassen sich keine neuen und verlässlichen Akzente in der Planung setzen.“ Lediglich Maßnahmen im Bereich der Ver- und Entsorgung führten zu signifikanten Zugewinnen. Letzteres sieht Burkhard Petersen vom Energietisch jedoch kritisch: „Allein die seit Jahren überfällige Stilllegung des Kohlekessels durch eine zuletzt fördermittelbegünstigte Gasturbine im DVV-Kraftwerk in 2019, moderne und kundenorientierte Internetportale, oder ein Schwimmbadneubau zeigen bislang noch kein wirkliches Umdenken in der Stadt zu mehr Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien. Auch ein klimatechnisch aufwendiger und teurer Museumsneubau dürfen niemanden in Politik und Verwaltung glauben machen, dass dies ein Schritt sei, die Stadt für die Zukunft zu rüsten“. „Rückblickend muss anerkannt werden, dass die Stadt trotz der mehrmonatigen Vakanz im Klimaschutzmanagement mit dem zwischenzeitlichen Einsatz eines Klimaschutzkoordinators das Thema auf der Verwaltungsebene in Gang gehalten hat“, so Marahrens. Energietisch und ADFC verbuchen daher die eea®-Auszeichnung der Stadt auf der „Haben“-Seite und empfehlen, den konstruktiven Austausch und die Zusammenarbeit im Energieteam noch stärker auszubauen und in den Mittelpunkt der Öffentlichkeitsarbeit zu rücken. Die im Herbst 2019 getroffene Entscheidung, für das kommunale Klimaschutzmanagement eine unbefristete Stelle einzurichten, ist daher folgerichtig, müsse aber schnell und fachlich gestärkt in die Tat umgesetzt werden. Das neue Klimaschutzmanagement solle unbedingt dafür sorgen, dass die Maßnahmen im energiepolitischen Arbeitsprogramm in den kommenden Jahren zügig umgesetzt werden. Dazu zählen: Erstellung eines Klimaschutzkonzeptes, eine Anpassungsstrategie, einschl. einer Analyse von sensiblen städtischen Bereichen und Infrastrukturen, Bestandsaufnahme der Klimagasemissionen, Konzept zur Klimakommunikation und endlich die spürbare Umsetzung des Radverkehrskonzeptes samt Verkehrsentwicklungsplan bis 2035. Burkhard Petersen rät der Stadt aus der Erfahrung früherer Klimaschutzkonzepte, einen Klimaschutzbeirat zu berufen, der die Arbeit des Klimaschutzmanagements unterstützt und politisch trägt. „Das Zusammenwirken von kommunalen Stellen, Stadtratsmitgliedern, Beteiligten der örtlichen Wohnungswirtschaft, der Hochschule, dem Umweltbundesamt, zivilgesellschaftlichen Interessengruppen und den Stadtwerken wird ein wichtiger Impuls für ein zukunftsfähiges Dessau-Roßlau sein.“ Guido Knoche ergänzt: „Dessau-Roßlau wird bis zur Jahrhundertmitte Klimaneutralität erreichen müssen. Das ist die Zielmarke, die Deutschland und Europa jetzt vorgeben – daran führt absehbar kein Weg mehr vorbei.“ Und wenn die Jugendlichen von FridaysForFuture die Stadträte in ihrer Petition auffordern „[…], nicht nur ihre Worte, sondern vor allem Taten sprechen zu lassen und im Zuge dessen einen Nachhaltigkeitsplan zu erstellen, der den Weg Dessau-Roßlaus zur Umweltstadt regelt“, dann ist das richtig und sollte nicht länger nur als gut gemeinter Appell der jungen Menschen missverstanden werden. Sie werden in Zukunft viel Zeit mit Klimaanpassung verbringen müssen.
Kontakt:
Dr. Guido Knoche und Burkhard Petersen Energietisch Dessau e.V. g.knoche@energietisch-dessau.de b.petersen@energietisch-dessau.de
Stephan Marahrens ADFC Dessau www.adfc-sachsenanhalt.de dessau@adfc-sachsenanhalt.de
Die im Artikel dargestellten Reaktionen der Vertreter der Städtischen Einrichtungen auf die Beschlüsse der Bundesregierung für die Erreichung der 2030-Klimaschutzziele vom 20.09. hätten nicht vorsehbarer sein können. Allseits Verweise auf Mehrkosten, oder umgekehrt fehlende Lenkungswirkung. Und auch die Mitteldeutsche Zeitung titelte „Das kostet uns Klimaschutz“ in ihrer Wochenendausgabe am 21.09.19. Diese Grundhaltung ist nur in Teilen verständlich, denn die vorgebrachte, betriebswirtschaftliche Perspektive blendet beispielsweise die Frage der Kosten von unterlassenem Klimaschutz aus, vor allem aber die Frage, wie notwendige Veränderungen in unserer Lebensweise – angefangen von der Energiebereitstellung, Konsum- und Mobilitätsverhalten – auch in Dessau angestoßen werden könnten. Kritiker mögen zurecht entgegnen, dass Deutschland nur für rund zwei Prozent der weltweiten CO2-Eissionen verantwortlich ist und daher die Lasten von verstärktem Klimaschutz nicht allein stemmen sollte. Das ist ohne Zweifel richtig. Zugegeben: die Bundesregierung hätte die aktuell große Zustimmung für mehr Klimaschutz nutzen müssen. Und so gibt das vom Bundeskabinett beschlossene Eckpunktepapier wahrscheinlich nur den ausgebufftesten Politprofis des Berliner Betriebs noch Hoffnung, dass Deutschland eine anspruchsvolle umwelt- und klimagerechte Entwicklung nehmen kann. Entscheidungsträger auf der kommunalen Ebene teilen diesen Optimismus in der Regel nur bedingt, da der unmittelbare Alltag konkret doch anders aussieht. Aber warum eigentlich? Hier einen Kontrapunkt vor Ort zu setzen, gemeinsam von Stadt und Bürgerschaft, wäre ein Anfang. Die Grundhaltung in Dessau ist nicht ausschließlich grau: die Veranstaltungen in der europäischen Mobilitätswoche in Dessau – Vortrag zu Mobilität, Straßenkino, die eigens von OB Kuras initiierte Radverkehrstagung, Fahrraddemo, Parking Day auf der Kavallierstraße, der Clean-up-day – haben in ihrer Vielfalt gezeigt, welches Potenzial besteht, sich von der „wir können nicht mehr tun“-Haltung abzuheben. Deutschlandweit und in Dessau hat die Fridays-for-Future-Bewegung die Aufmerksamkeit auf eine der zentralen Gegenwartsfragen gelenkt, nach dem Motto „nehmt ihr uns nicht unsere Zukunft“. Sogar die christlichen Kirchen in Dessau sind mit ihrem gemeinsamen Kirchenläuten für Klimagerechtigkeit zur Mittagszeit am Freitag dem weltweiten Aufruf „Churches-for-Future“ gefolgt. Diesen Impuls sollten Stadtverwaltung und Entscheidungsträger aufgreifen und selbst den Blick auf ihre (Vorbild-)Rolle und Möglichkeiten richten. Auch einmal über das „Machbare“ hinausgehen. Leitbild sollte sein: Umweltstadt Dessau, wie es bereits im Frühjahr von einem Leser eingebracht wurde. Hinsichtlich Klima- und Energiefragen stellt der Energietisch Dessau fest: Dessau fängt nicht bei NULL an. Zwischenzeitliche Erfolge sollten aber nicht darüber hinweg täuschen, dass weiterhin dringender und umfangreicher Handlungsbedarf besteht. Versäumnisse der vergangenen Jahre (z.B. Maßnahmen im Energiepolitischen Arbeitsprogramm aus 2015/2016 wie Klimaschutzkonzept, Emissionsbilanz, Vulnerabilitätsanalyse) müssen zügig aufgearbeitet werden. Der Energietisch fordert daher konkret die zügige und dauerhafte Einrichtung eines schlagkräftigen Klimaschutzmanagements mit weitreichenden Kompetenzen. Das hätte Signalwirkung nach außen: „Wir haben verstanden!“
Der Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels soll mit
vielfältigen Anknüpfungspunkten an den Lebensalltag in der eigenen Region
betrachtet wie auch der Blick in andere Regionen der Welt gerichtet werden. Wie
kann eine Beteiligung des Einzelnen und der Kommune zur Erreichung der Pariser
Klimaschutzziele aussehen? Wie kann längerfristiges Engagement für Klimaschutz
gestaltet werden? Was bedeutet Klimaanpassung? Die aktuelle öffentliche
Aufmerksamkeit bietet die Chance, Interesse für dieses komplexe Thema zu
wecken, das alle in den kommenden Jahrzehnten beschäftigen wird.
Als konkretes Beispiel in Dessau wird ein Mieterstromprojekt des Dessauer
Wohnungsvereins vorgestellt, das mit der SALARIMO GmbH aus Berlin realisiert
wurde. Dabei sind Photovoltaik-Module auf dem Dach eines Mietshauses am
Leipziger Tor installiert, aus denen Mieter des Hauses auf Wunsch direkt mit
Sonnenstrom beliefert werden. Ein kleiner monetärer Vorteil für die Mieter
ergibt sich außerdem. Ein hoffnungsvoller Beginn einer neuen Solaroffensive in
Dessau, wie wir meinen.
Spätestens nach den letzten zwei Hitze-Sommer dürfte auch
hierzulande klar sein: Die Klimaerwärmung droht in eine Klimakatastrophe
umzuschlagen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Verkehrssektor – und zwar
der Personenverkehr ebenso wie der Gütertransport.
Die gängigen Rezepte lauten: Man bräuchte einen
Austausch des Antriebs von Pkw, Bussen und Lkw („e-mobility“) und eine Stärkung
von öffentlichem Verkehr im Allgemeinen und der Schiene im Besonderen.
Doch reicht das aus? Der Referent verneint dies. Elektroautos
brächten kaum CO-2-Minderung; damit würden vor allem die Städte mit noch mehr
Autos zugestellt. Eine reine Verlagerung z.B. des Lkw-Verkehrs auf die Schiene
sei bereits rein technisch gar nicht realisierbar. Seine Hauptthese lautet: In
erster Linie müssen der Personenverkehr und der Gütertransport deutlich reduziert werden. Ziel sei eine
„Verkehrspolitik der drei V“: Verkehre VERMEIDEN, Verkehrs- und Transportwege
VERKÜRZEN, verbleibende Verkehre (auf Füße, Pedale und „Öffis“) VERLAGERN.
Die Menschen sind heute nicht mobiler als sie es in den 1970er Jahren waren. Doch sie legen im Jahr fast doppelt so viele Kilometer motorisiert zurück wie damals. Unser Lebensstandard ist heute nicht wesentlich höher als damals. Doch der Lkw-Verkehr hat sich allein seit 1992 verdoppelt. Durch die Zerstörung von „Nähe“, von kleinteiligen Strukturen, durch eine zerstörerische Globalisierung und durch Dumpingpreise im Gütertransport erleben wir eine Verkehrs- und Transportinflation. Es wurden Strukturen entwickelt, die zu einem „erzwungenen Verkehr“ und zu einer immer größeren „Transportintensität“ führten.
Hier muss als erstes angesetzt werden – durch die
Reduktion von Verkehr und Transporten. Dies trägt – unter anderem durch weniger
Lärm, weniger Gesundheitsbelastung, weniger Stress – auch zu einer höheren
Lebensqualität bei. Vor allem ist dies die entscheidende Strategie für
wirksamen Klimaschutz. Eine radikale Verkehrswende steht auf der Tagesordnung.
Nur auf diese Weise kann die rasante Fahrt in die Klimakatastrophe gestoppt
werden. Eine Verkehrswende ist damit Teil einer nachhaltigen und solidarischen
Welt, für die wir uns engagieren.
Winfried Wolf ist Chefredakteur von Lunapark21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie. Er war 1994 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestags. Er ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac Deutschland. Im März 2019 erschien: Winfried Wolf, Mit dem Elektroauto in die Sackgasse. Wie die Elektromobilität den Klimawandel beschleunigt (Promedia Wien, 220 Seiten; 17,90 Euro). Im April 2019 neu erschienen: Winfried Wolf, abgrundtief + bodenlos. Stuttgart21, sein absehbares Scheitern und die Kultur des Widerstands (PapyRossa Köln, 380 Seiten; 20 Euro). Im Oktober 2019 erscheint: Bernhard Knierim/Winfried Wolf, Abgefahren. Warum wir eine neue Bahnpolitik brauchen (PapyRossa, Köln, 240 Seiten, 18 Euro).